Lumbosacrale Übergangswirbel – LÜW

Lumbosacrale Übergangswirbel – LÜW beim Border Collie

weitere Abkürzungen neben LÜW wären noch LTV oder ÜGW gemeint ist aber immer der Lumbosacrale Übergangswirbel. Wer sich, genau wie ich beim ersten Lesen fragt, was ist das denn? Lumbosacrale -> Lumbo = Lendenwirbelsäule, Sacrale = Kreuzbein eine angeborene Veränderung der Wirbelsäule, die in verschiedenen Graden vorkommen kann. Grad 0 bis Grad 3. Meistens wird von sogenannten Schaltwirbel gesprochen, die wiederum eine Voraussetzung für ein späteres Cauda Equina Syndrom (CES) liefern können.

Es ist erblich, aber nicht genau erforscht, wie genau es sich weitervererbt. Studien liefen unter anderem an der Uni in Gießen. Erfahrungen einer Züchterin, die seit 2016 auf LÜW untersucht, zeigen, dass selbst LÜW 0 und 0 Verpaarungen LÜW 3 Welpen gebracht haben.

5000 untersuchte Hunde, davon hatten 1150 (23%) einen Schaltwirbel. Die Frage nach bestimmten Rassen stellt sich sofort und man sucht automatisch nach seiner eigenen.
Zitat der Studie: Quelle

Übermässig stark betroffen war der Deutsche Schäferhund mit 5.7 %, der Große Schweizer Sennenhund mit 9.4 % und der
Shar Pei mit 19.2 %.

Netzfund
Border Collie nahmen an der Studie 64 Hunde teil – 2 hatten einen Schaltwirbel

4000 Hunde untersucht

Was haben unsere Untersuchungen ergeben?

Von den 4000 untersuchten Hunde wiesen 138 oder rund 3,5% einen Schaltwirbel auf.

Gehäuft waren Schaltwirbel beim Deutschen Schäferhund und beim Großen Schweizer Sennenhund zu finden.

Extrem häufig kam die Veränderung beim Shar-Pei vor, wo jeder 5. Hund betroffen war. Allerdings konnten wir nur 26 Vertreter dieser Rasse untersuchen. Selten hingegen waren Schaltwirbel bei Golden und Labrador Retriever, und überhaupt nicht zu finden waren sie beim Appenzeller Sennenhund und beim Tervueren.

Die Zahlen in Tabelle 1 sollen einen Überblick über ihre Häufigkeit geben. Es sind nur Rassen erwähnt, von denen mindestens 50 Hunde untersucht werden konnten. Deshalb ist der Shar-Pei dort nicht aufgeführt. Die Missbildung dieser Schaltwirbel ist sehr variabel. Deutlich unterschieden sich die Querfortsätze, bei denen wir 3 verschiedene Typen beobachten konnten:
 

  • lumbale oder freie, normale Querfortsätze ohne Verbindung zum Becken
  • intermediäre Querfortsätze, die zum Teil mit dem Becken verbunden sind
  • sakrale oder seitliche Fortsätze, die vollständig mit dem Becken verbunden sind

Schaltwirbel, welche rechts und links denselben Typ Fortsätze trugen, wurden als symmetrische, solche mit unterschiedlichen Fortsätzen, als asymmetrische Schaltwirbel bezeichnet. Symmetrische und asymmetrische traten praktisch gleich häufig auf (Abb. 2)

Welche Schlüsse können wir aus unseren Ergebnissen ziehen?

Schaltwirbel kommen relativ häufig vor, die einzelnen Rassen sind aber sehr unterschiedlich betroffen. Das gehäufte Auftreten in einzelnen Rassen deutet auf eine erbliche Veranlagung hin. Allerdings ist im Moment weder der Erbgang noch die Heritabilität (d.h. der Einfluss der Gene auf das Auftreten und die Form eines Schaltwirbels) geklärt.

Ein Unterschied in der Häufigkeit zwischen Rüden und Hündinnen war nicht festzustellen, Schaltwirbel kamen bei beiden Geschlechtern gleich häufig vor. Zur Klärung der Frage, ob zwischen einem Schaltwirbel und einem CES ein Zusammenhang besteht, haben wir die Röntgenbilder von 92 Hunden mit nachgewiesenem CES nachgeprüft. Es zeigte sich, dass 15 von ihnen (16,3%) einen Schaltwirbel aufwiesen. Die Stelle der Nervenschädigung lag stets zwischen dem letzten Lendenwirbel und dem Schaltwirbel. Eine weitere Frage war, ob CES bei Hunden mit Schaltwirbeln früher auftritt als bei anderen Hunden.

Bei der Durchsicht der 92 Hunde mit CES zeigte sich, dass das Durchschnittsalter der Hunde mit Schaltwirbel bei knapp 5 Jahren lag, bei jenen ohne Schaltwirbel bei rund 61/2 Jahren.

Aus den gewonnenen Daten lassen sich mehrere Schlüsse ziehen:

Hunde mit Schaltwirbel haben ein 5-mal höheres Risiko für CES als Hunde ohne Schaltwirbel. Wenn Schaltwirbel keinen Einfluss auf die Ausbildung eines CES hätten, sollten nur 3 der 92 CES Hunde einen solchen Schaltwirbel zeigen. Gezählt haben wir aber 15 Hunde.

Die meisten von ihnen (12 der 15 Hunde) zeigen einen symmetrischen Schaltwirbel mit intermediären seitlichen Fortsätzen. Eine ähnliche Verteilung der Schaltwirbel-Typen finden wir auch bei den 4000 klinisch unauffälligen Hunden der HD-Gruppe. Wir schließen daraus, dass die Form der seitlichen Fortsätze für die Entstehung von CES keine wesentliche Rolle spielt.

Hunde mit einem Schaltwirbel erkranken ein bis zwei Jahre früher am CES, als solche ohne Schaltwirbel. Diese Beobachtung lässt vermuten, dass die Fehlbildung zu einem vorzeitigen Verschleiß der Verbindung zwischen Lende und Kreuz und damit zu früheren klinischen Anzeichen der Krankheit führt.

Wie ist diese Beobachtung zu erklären?

In der Lendenwirbelsäule ist die Beweglichkeit zwischen den einzelnen Wirbeln am größten im Übergang Kreuz – Lende. Aus Studien von Prof. Lang ist bekannt, dass bei Hunden mit einem Schaltwirbel im Lumbosacralgelenk die Beweglichkeit und Kraftverteilung verändert ist. Bei normalen Hunden überwiegt die Drehung, bei solchen mit einem Schaltwirbel hingegen die Parallelverschiebung. Diese führt vermehrt zu Scherkräften, was Schäden an der Bandscheibe und den Bändern der Wirbelsäule verursacht. Diese Schäden sind vermutlich ein Grund für das gehäufte Auftreten von CES bei Hunden mit einem Schaltwirbel.

Eine weitere Ursache ist die veränderte Beweglichkeit des Schaltwirbels. Durch den Beckenkontakt ist er weniger beweglich. Als Folge werden der nächste kopfwärts gelegene Diskus sowie die Bänder und Gelenke übermäßig belastet, sie degenerieren vorzeitig. Dies wiederum begünstigt eine Schädigung des Diskus und ein CES.

Ähnliche Beobachtungen wurden auch beim Menschen gemacht, wo Schaltwirbel zu Verengung des Wirbelkanals und des Nervenwurzelkanals, Arthrose der kleinen Wirbelgelenke und zu Diskusdegeneration unmittelbar kopfwärts des Schaltwirbels führen können.

Beobachtet wurde auch, dass der Diskus zwischen Schaltwirbel und Kreuzbein nicht vollständig ausgebildet ist. Er besteht oftmals nur aus bindegewebigem Material und enthält kaum gallertiges Puffergewebe (Nukleusmaterial). Eine Diskushernie zwischen Schaltwirbel und Kreuzbein ist deshalb relativ selten zu beobachten, weil gar kein Material für einen Vorfall vorhanden ist. Auch bei unseren Hunden fehlten Hinweise für eine Erkrankung der Zwischenwirbelscheibe zwischen Schaltwirbel und dem Kreuzbein.

Wird ein Schaltwirbel vererbt?

Diese Frage können wir anhand unserer Daten weder beweisen noch verwerfen, die Verwandtschaft der untersuchten Hunde ist nicht eng genug. Die unterschiedliche Häufung von Schaltwirbeln bei den verschiedenen Rassen und das gelegentliche Auftreten von mehreren Hunden mit Schaltwirbeln im selben Wurf lässt aber die Vermutung aufkommen, dass Schaltwirbel in der Tat erblich beeinflusst werden.

 

Was folgern wir daraus?

Wenn sich unser Verdacht bestätigt, dass für das Auftreten eines Schaltwirbels eine genetische Veranlagung besteht, sollten Hunde mit Schaltwirbeln nicht zur Zucht verwendet werden. Es ist auch nicht ratsam, einen Hund mit einem Schaltwirbel einer teuren und zeitaufwändigen Ausbildung zu unterziehen, da er ein höheres Risiko hat, wegen eines CES vorzeitig aus der Arbeit auszuscheiden.

 

Autoren: 
Mark Flückiger, Natascha Damur-Djuric, Joe Morgan, Michael Hässig und Frank Steffen
Vetsuisse Fakultät der Universität Zürich