Die Zeit
An manchen Tagen rennt die Zeit, um dann spontan stehenzubleiben und mich freundlich anzulächeln. Genau das Gefühl habe ich gerade. Gestern hatten wir doch den Nick erst aus der Klinik geholt und dann lange 14 Tage vor uns. Jetzt sind es noch genau 2 Tage und sie ziehen sich wie ein Kaugummi. Nicht nur, dass ich genervt bin vom Kragen drauf, Kragen ab. Auch Nick mag ihn nicht mehr so freiwillig anziehen, wie noch vor ein paar Tagen.
Liegt es an meiner Einstellung, oder sage ich es ihm quasi, dass es nervt? Ich weiß es nicht und so hoffe ich darauf, dass unser Tierarzt uns bald die Freigabe gibt. Das Blutbild von Nick gibt größtenteils Entwarnung, wirft aber zeitgleich noch ein paar Fragen auf. Aber auch da können wir im Moment nicht viel machen, als abwarten und Tee trinken. Ich bin da wirklich nicht gut drin und versuche mich mit Dingen, wie Haushalt ein wenig abzulenken.
Nach wie vor halten wir uns an die 10 min Spaziergänge und auch da freue mich schon auf die etwas erweiterten Runden, die nicht mehr mit dem Blick auf die Uhr. Man ist schon ein Gewohnheitstier und wenn man dann noch die Oma und Indy im Schlepptau hat, ist es eine Aufgabe der besonderen Art. Oma ist noch in der Nähe vom Auto und liest den Artikel über die neusten Hörgeräte, was Indy und Nick nicht so sonderlich interessiert. Die Zwei lesen eher die spannenden Geschichten um Amy und Co.
Ihre Daily Soap ist da deutlich eine andere. Da ich unweigerlich am Nick hänge, wie ein Schlüsselanhänger in XXL, sehe ich die Gayle etwas kleiner werden, während ich bremse und doch ein wenig laufe. Gayle hat sich intensiv festgelesen und der Kopf steckt im Grasbüschel. Als sie wieder Zeit für uns hat, sind wir natürlich schon aus ihrem Gesichtsfeld entschwunden. Man sieht ihr förmlich an, dass sie sich unwohl fühlt und dahin zurückgeht, wo sie uns zuletzt gesehen hat.
Rufen oder pfeifen klappt nicht mehr so gut. Also stampfe ich auf den Asphalt und Gayle schaut erleichtert zu uns. Sie setzt sich zu uns in Bewegung und mein gestellter Wecker bimmelt laut aus meiner Jackentasche. Da sind sie schon wieder vorbei, die 5 min und wir laufen Gayle direkt entgegen. Eine komisch aus dem Pelz schauende Gayle staunt, dass wir sie in Empfang nehmen und läuft erst einmal an uns vorbei. Das, was die Jungs gelesen haben, mag sie sich zumindest einmal anschauen.
Wieder steckt ihr Kopf in der neuen Grasnarbe und ich werde in die entgegen gesetzte Richtung beschleunigt. Also bremse ich den Nick erneut, warte dieses Mal auf das Kopfheben von Gayle und zücke das Leckerli. Das zieht immer und so spummelt Gayle schneller zu uns. Nick steht neben mir und möchte auch ein Futterhappen ergaunern. Alles wie immer und doch noch nicht ganz. Wenn ich mich auf etwas freue, dann auf Spaziergänge, die wieder Runden sind und kein hin und zurück.
Geduld und Spucke, war die Devise nicht nur von meinem Opa. Also warte ich auf den Anruf vom Tierarzt, die Abschlussuntersuchung und schließlich unser altes Leben. Wenn es das überhaupt noch so gibt. Verändert nicht jedes Erlebnis das Leben?